Gespräche können Leben retten

Ökumenische TelefonSeelsorge Vorpommern feiert 30-jähriges Jubiläum

Greifswald. Die Ökumenische TelefonSeelsorge (ÖTS) Vorpommern ist für alle Menschen da – kostenfrei und niederschwellig, 24 Stunden am Tag und völlig anonym. Und das seit mittlerweile drei Jahrzehnten. Im Herbst feiert die ÖTS ihr 30-jähriges Jubiläum mit einem großen Festakt im Bürgerschaftssaal des Greifswalder Rathauses.

„Dabei wird den vielen Ehrenamtlichen gedankt, die sich in den 30 Jahren engagierten und ebenso jenen, die dies derzeit und auch weiterhin tun“, kündigt die Leiterin der Ökumenischen TelefonSeelsorge Vorpommern, Dagmar Simonsen, an. „Es wird während des Fests Grußworte von Vertretenden aus Politik und Verbänden, aus Kirche und Gesellschaft geben. Es ist ein deutliches Zeichen der Wertschätzung, dass das Fest im Rathaus und damit mitten in der Gesellschaft stattfindet“, freut sich Dagmar Simonsen.

Da die Ehrenamtlichen der ÖTS anonym bleiben, werde nicht öffentlich gemacht, wann genau das Jubiläumsfest stattfindet.

Einsamkeit kann krankmachen

Deutschlandweit sind 7.700 Menschen in der Telefonseelsorge aktiv, bei der ÖTS Vorpommern sind es 40 Ehrenamtliche, die in ihrer Freizeit ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Menschen haben. „Die ehrenamtlich tätigen Menschen am Telefon müssen stets wach sein für den lebensrettenden Anruf, das lebensrettende Gespräch“, betont Dagmar Simonsen. Suizidprävention gehöre zu den bedeutendsten Aufgaben der Telefonseelsorge. Und Ulrike Mai von der Pressestelle der Bundesgeschäftsstelle der TelefonSeelsorge Deutschland ergänzt: „Einsamkeit und psychische Erkrankungen zählen zu den häufigsten Themen, um die es bei den Anrufen geht. Einsamkeit kann krank machen, körperlich und psychisch.“ 

Rund um die Uhr erreichbar

Neben der Seelsorge am Telefon bietet die ÖTS auch einen Chat an, also die Möglichkeit, online textbasiert zu kommunizieren. „Wir wollen unseren Seelsorge-Chat noch weiter ausbauen und uns damit an die sich ändernden Kommunikationsgewohnheiten der Menschen anpassen. Doch leider stoßen wir hier derzeit technisch und personell an unsere Grenzen“, bedauert Dagmar Simonsen. „Zwar mag ein Chat manchen Menschen zunächst unpersönlicher erscheinen, unsere Erfahrung zeigt aber, dass ein Chat den Vorteil hat, dass er oft viel direkter an den Themen und Anliegen der jeweiligen Person dran ist.“ Aber ganz gleich, ob sich Menschen per Telefon oder Chat an die ÖTS wenden, es gibt keine Vorbedingungen. Jeder und jede kann jederzeit anrufen oder chatten. Alles geschieht völlig anonym. Ein Alleinstellungsmerkmal ist dabei, dass die ÖTS rund um die Uhr, 24 Stunden und sieben Tage die Woche erreichbar ist. „Das gibt es sonst bei keiner Beratungsstelle“, sagt Dagmar Simonsen. „Die ÖTS Vorpommern kann diesen 24-Stunden-Dienst nur in Zusammenarbeit mit der ÖTS Neubrandenburg abdecken, nur mit dann insgesamt 80 Ehrenamtlichen ist das möglich. Das könnten wir alleine gar nicht leisten.“

Austausch im geschützten Raum

So wie die Telefonseelsorge und die dort tätigen Ehrenamtlichen völlig anonym sind, so ist es auch der Ort, an dem die ÖTS in Greifswald ihren Sitz hat. „Der geschützte Raum ist notwendig, dieses Ehrenamt lässt sich nicht zuhause im Home Office ausüben, denn die Gespräche und Themen sollen nicht zu den Ehrenamtlichen in die eigenen vier Wände kommen, die notwendige Distanz muss erhalten bleiben“, so Dagmar Simonsen. „Die Gespräche können eine enorme Belastung für die Ehrenamtlichen bedeuten. Daher ist es wichtig, dass alles in den Räumen der Telefonseelsorge bleibt. Beim Betreten der TS-Geschäftsstelle und dann nach dem Dienst beim Verlassen gehen wir gedanklich wie durch eine ‚Waschanlage‘ – der Alltag bleibt draußen, dann folgt der vierstündige Dienst und am Ende lassen wir die gehörten ‚Dinge‘ hier.“

Beitrag zum gesellschaftlichen Klima

Die gefühlt sich mehr und mehr häufenden Krisen weltweit haben nicht nur Einfluss auf die Anrufenden, sondern auch auf die Ehrenamtlichen. „Wir nennen das Phänomen ‚Stapelkrisen‘, weil immer mehr Krisen aufeinanderfolgen. Die Ehrenamtlichen bilden durch ihre gemeinsamen Erfahrungen und den intensiven Austausch ein enges Team, sie unterstützen und stärken sich gegenseitig und bilden eine besondere Gemeinschaft. Alle, die sich in der ÖTS engagieren, tun etwas zur Verbesserung des gesellschaftlichen Klimas“, ist Dagmar Simonsen überzeugt. Und Ulrike Mai ergänzt: „Zwar kann auch die ÖTS dem Zeitgeist keine grundsätzlich andere Richtung geben, aber sie leistet einen wichtigen Beitrag für ein offeneres Miteinander und für die Stärkung der Demokratie.“

Anspruchsvoll und sinnstiftend 

Die Motivation der Ehrenamtlichen, die sich bei der TelefonSeelsorge engagieren, bestehe oft darin, dass sie etwas zurückgeben möchten, weiß die ÖTS-Leiterin. „Sie erlebten vielleicht selbst Krisen und Erfolge, konnten Notlagen meistern. Und das können und wollen sie weitergeben.“ Interessierte, die es ihnen gleichtun möchten, sollten sich nicht vom Begriff der Seelsorge abschrecken lassen, meint Dagmar Simonsen. „Seelsorge, das ist das Mittragen der Anliegen der anrufenden Menschen. Und wir brauchen dringend mehr Menschen für diese wichtige Arbeit“, unterstreicht Dagmar Simonsen und beschreibt die Ausbildung zum Telefonseelsorger oder zur Telefonseelsorgerin als eine „lebensverändernde Erfahrung“. Die Ausbildung sei gleichermaßen anspruchsvoll wie sinnstiftend.